Judith Van Hel

Betritt sie den Raum, kann sie sich der meisten Blicke sicher sein. „Manchmal genieße ich das. Manchmal würde ich viel lieber in der Masse untergehen“, sagt sie. Und das ist nicht der einzige Widerspruch an ihr.

Beginnt sie zu singen, kann man die Fragezeichen förmlich über den Köpfen aufleuchten sehen. Sanft, emotional, tiefgründig – so beschreibt sie selbst die Musik, die sie am meisten liebt. Zum kahl rasierten Schädel und den unzähligen Tattoos scheint das nicht zu passen. Lässt man sich dann aber auf eine kleine Reise mit ihr ein, nimmt sich Zeit für ein Gespräch, verfliegt die Ambivalenz und es formt sich ein ganzes Bild der Sängerin.

 

Judith Van Hel – unauffällig geht anders! Ihr Aussehen polarisiert, es passt nicht zum üblichen Schönheitsideal. Doch nicht nur ihre Erscheinung, auch ihre Stimme hat einen Wiedererkennungswert fernab vom Mainstream. Und doch bleibt keiner unberührt. Judith van Hel vereint Abgrund und Wohlgefühl, eine einzigartige und unschätzbar wertvolle Eigenschaft im sonst so oberflächlichen Showgeschäft.

 

Aufgewachsen in Wermelskirchen, einer kleinen, aber wilden Stadt im Bergischen Land, tritt Judith schon mit sechzehn Jahren in verschiedenen Band-Konstellationen auf. Als Sängerin der Punkrock-Cover-Band „Ritalin“ kann sie eine echte Fanbase gewinnen. Sie begleitet sich selbst am Klavier und probiert aus, wie sich die Songs für sie anfühlen, unter anderem ist sie lange Jahre Teil eines Akustik-Duos, mit dem sie unzählige Live-Konzerte spielt und eine CD aufnimmt. Ihre Vorliebe gilt dabei melancholischen, düsteren Songs aus verschiedenen Musikrichtungen. „Ich habe einen Hang dazu, den perfekten Soundtrack für einen verregneten Sonntag in der Badewanne mit Suizidabsicht zu kreieren,“ meint sie und lacht dabei, als sei diese Badewanne eher ein ganz privates Schutzgebiet, in dem ihr nichts und niemand etwas anhaben kann. Selbstmord, Schutzgebiet? Schon wieder ein Widerspruch. Ein Widerspruch, den vor allem ihre Fans nachvollziehen können. Die Welt ist schließlich voller Widersprüche, und Judith van Hel steht da und scheint zu sagen: „Na und?“. Genau darum wird sie von ihren Fans geliebt.

 

„Fucking Beautiful“ (Pl.20 der deutschen Charts), nicht „Fucking Perfect“ heißt dann schließlich auch der Song, den sie als Finalistin in der dritten Staffel von „The Voice of Germany“ präsentiert. Und genau so lässt sich ihre warme, rauchige Stimme beschreiben, mit der sie Coverversionen wie „Power of Love“ von Frankie Goes to Hollywood oder „Chasing Cars“ von Snow Patrol im erfolgreichen TV-Format zu ihren eigenen Songs macht. Gefühl pur.

 

Nach ihrem Erfolg in der Show wird sie für Live-Auftritte in ganz Deutschland gebucht und ist von 2014 bis heute fast ständig unterwegs. Dennoch nimmt sie sich bewusst Zeit, um genau abzuwägen, mit wem und wie sie langfristig arbeiten möchte und ihren eigenen Stil zu entwickeln. “Ich musste besonders in der letzten Zeit feststellen, dass ich meine eigenen Songs in meiner Muttersprache für mich schreiben will.“ sagt sie, konzentriert sich 2016 auf den Prozess der Sound-Findung und schreibt mit anderen Songwritern und Produzenten an deutschen Demos. 2017 startete Judith live mit ausgewählten Herzblut-Musikern, die ihren neuen Sound genauso lieben, wie sie selbst und einen gemeinsamen Weg gehen wollen, am 21. April 2018 stellte sie ihre Songs bei uns vor.